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Jörg Steiner über Biel/Bienne

Beim Aufräumen habe ich noch eine schöne Aussage des Schriftstellers Jörg Steiner über Biel gefunden:

Ich habe Freunde, die Dinge sehen, die wir vielleicht etwas vergessen. Zum Beispiel, dass Biel ein bisschen eine verwahrloste Stadt ist. Ein wenig verheit! Dass es Ecken gibt und Hinterhöfe, grasüberwachsene Plätzchen, dass nicht alles bis aufs letzte ausgenützt ist, dass wir keine Altstadt haben sondern eine alte Stadt, wo auch noch ärmere Leute leben. Ich habe Freunde, die sich vorstellen könnten, in Biel zu wohnen, aus solchen Gründen.

Biel ist so ein weites Kleid, eine alte Jacke, in der man sich wohl fühlt. Sie ist älter geworden mit mir, auch bequemer! Ich habe zwei Töchter, die sehr gerne in meiner Pyjamajacke geschlafen haben. So geht es mir ein bisschen mit Biel!

Quelle: Biel/Bienne 7.2.2013, aus einem TeleBielingue Gespräch von Werner Hadorn mit Jörg Steiner im März 2012.

“Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat”

Ich mag mich erinnern, dass ich mich vor der Dotcom-Blase gefragt habe, ob ich einfach ein naiver, linker Idealist bin. Für Geld habe ich gearbeitet, statt mir irgendwelche Aktien zu kaufen und “das Geld für mich arbeiten zu lassen”, wie man es so schön nannte. Ich habe mir ziemlich lange den Kopf zerbrochen und versucht herauszufinden, woher denn das viele Geld überhaupt genau kam. Ich konnte es mir nicht erklären, deshalb lies ich die Finger davon. WOZ und Le Monde Diplomatique bestärkten mich darin.

Irgendwann später kam ich mal zum Schluss, dass ich jedes Elend auf der Welt auf Kapitalismus zurückführen kann. Die These war unter einigen Leuten nicht so beliebt, man hat mich meistens etwas belustigt angeschaut. Und dann kam die Finanzkrise. Und Griechenland. Und Amerika. Und England have a peek at this website. Und noch viel mehr. Wie mein Bruder letzte Woche gesagt hat: Das wird noch viel spannender werden.

Tja und jetzt traue ich meinen Augen kaum. Da kommen plötzlich alte konservative aus den Löchern, reiben sich die Augen und fragen sich, was denn da schief gegangen ist. Constantin Seibt hat im Tagi/Bund/Baz/whatever einen guten Artikel geschrieben, später kam die FAZ (echt, die FAZ!!) noch und Philipp Löpfe wieder im Tagi & co. Und Warren Buffett meint in der New York Times, dass die Superreichen zu stark bevorzugt werden.

Angefangen hat es mit dem Artikel von Charles Moore im The Telegraph. Mal abgesehen von den “Weltfremden” in Le Monde Diplomatique und anderen eher linken Publikationen, die schon vor über 10 Jahren auf die fundamentalen Probleme hingewiesen haben. Told you so.

Biel/Bienne darf kein Altersheim werden

Die letzten paar Wochen haben wir in Biel vom AJZ aus zum Entwurf des neuen Ortspolizeireglements Stellung genommen. Dieser Entwurf ist jenseits von gut und böse, dementsprechend lange wurde unsere Stellungnahme.

Die Stellungnahme vom AJZ gibts hier als PDF. Den Entwurf selber gibts bekloppterweise nur als gescanntes (!!) PDF, die Erläuterungen und den Begleitbrief ebenfalls. Folgendes wurde der Presse noch mitgeteilt:

Sehr geehrte Damen und Herren

In der Beilage finden Sie die Stellungnahme zum Ortspolizeireglement der Stadt Biel vom Autonomen Jugendzentrum.

Unter dem Punkt „ Grundsätzliche Bemerkungen“ finden Sie kritische Überlegungen im Zusammenhang mit dem Entwurf.

Im wesentlichen geht es uns darum, das ganze Vorgehen im Zusammenhang mit dem Vernehmlaussungsverfahren in Frage zu stellen. Relevante Interessegruppen wurden nicht in den Prozess eingebunden. Es stellt sich die Frage, ob der Kreis nicht bewusst klein gehalten wurde, um möglichst wenig Wiederstand zu generieren.

In einem demokratisch gelebten Prozess gehen wir davon aus, dass möglichst viele betroffene Gruppierungen automatisch in diesen Prozess eingebunden werden müssen. Das Verhalten der städtischen Behörden lässt nur den Schluss zu, dass an einer breiten Beteiligung und an einem transparenten Prozess von Vornherein kein Interesse bestand.

Für ein Reglement, welches das Zusammenleben in unserer Stadt längerfristig prägen wird, ist die Vorgehensweise unserer Ansicht nach demokratisch nicht haltbar.

Wir wünschten uns auch von Seiten der Medien eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema, um den Meinungsbildungsprozess zu fördern.

Mit dieser Stellungnahme wollen wir erreichen, dass dieses Thema auch nach der Vernehmlassung weiterhin kritisch und konstruktiv begleitet wird.

Die Benützer/innen Versammlung des AJZ

Im Bezug auf den Nationalisten in Norwegen fand ich auf netzpolitik.org ein schönes Quote von Benjamin Franklin, was auch perfekt auf unsere Stellungnahme passt:

They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.

Genau, liebe Sozis und Liberale in Biel!

Schluss mit SVP-Illegalität!

Heute Samstag Morgen ging ich wie immer in die Stadt einkaufen. Leider war die ganze Nidaugasse mit SVP-Plakaten verunreinigt, sie wurden mit Kabelbindern an die Leuchtenständer montiert, natürlich illegal. Sowas betrachte ich in Biel als persönliche Kampfansage, also begann ich mal etwas mit rumtelefonieren. Meine Kontakte haben danach tüchtig weiter telefoniert und 1.5 Stunden später hat die Polizei die Plakate entfernt, sprich die Innenstadt von Biel ist wieder SVP-Frei furosemide france! Jupieee :-)

Unsere Law-and-order Partei scheint es nicht so genau zu nehmen mit den Gesetzen, wenn es in ihrem Interesse ist.

Die Polizei war übrigens richtig schnell, habe sie fast nicht mehr erwischt. Hier gibts noch alle Videos und Fotos von der Aktion, lizenziert unter Creative Commons.

Merci an alle Beteiligten, so macht das Spass!

Bilder:

Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte

Tag 1 nach Annahme der Initiative Gegen den Bau von Minaretten. Gestern Sonntag bin ich kurz vor drei Uhr aus dem Bett gekrochen, noch ziemlich kaputt von der Party mit 2 Many DJs in der Reithalle. Die verpassten SMS liesen schlimmes befürchten und nachdem ich kurz auf der NZZ Homepage war entschloss ich, den Rest des Tages mit Ausnahme der Tagesschau die Nachrichten zu ignorieren.

Heute gingen dann die Diskussionen im Büro los, ich meinte kurz ich werde jedem meine Freundschaft künden, der die Initiative angenommen habe. Einer mochte sich danach zuerst nicht mehr erinnern, was er jetzt genau auf den Zettel geschrieben habe (es wurde später dann doch noch zu einem ja). Der zweite hat nein gestimmt und der dritte hat es verpennt. Trotzdem startete danach eine lange, ausgiebige Diskussion, die mit den üblichen Null-Argumenten geführt wurde: Überfremdung, Ausländer die rumhauen, Scharia, Intoleranz und so weiter. Man hat ja gar nichts gegen Minarette, ging halt darum ein Zeichen zu setzen und man werde jetzt endlich über die Probleme diskutieren und so weiter…

Ich bin von der ganzen Diskussion so genervt, dass ich irgendwie echt die Lust verloren habe, weiter darüber zu diskutieren. Offenbar scheinen in der Zwischenzeit selbst Leute, die ich bis jetzt als einigermassen intelligent eingeschätzt habe, den ganzen Bullshit zu glauben, den rechte Kreise seit Jahren predigen. Ich behaupte jetzt mal das ich durch meinen Job, mein Engagement in der Villa Ritter, dem Reisen und dem exzessiven Party machen in Biel und Bern einigermassen eine Ahnung habe von dem, was in Schweizer Städten mit hohem Ausländeranteil so passiert. Das hat aber nicht sehr viel mit dem zu tun, was sich offenbar jemand auf dem Land so vorstellt. Wir haben wie jedes einzelne Land auf dieser Welt Probleme und die muss man thematisieren, diese Initiative trägt aber dazu garantiert absolut nichts positives bei. Es ging um nicht mehr als Türme zu einer Moschee, wie zig andere Religionen in der Schweiz sie bauen können.

Tja jetzt werden uns einige hässliche Wochen bevorstehen, die Idioten trauen sich jetzt alle zu ihrer Meinung zu stehen (siehe Kommentare auf Zeitungsseiten) und die (rechte) Politik wird sich sicher mit kreativen Vorschlägen überschlagen, was man alles machen muss um “das Volk” ernst zu nehmen. Ich werde mich auch weiterhin weigern, wegen einem subjektiven, hervorbeschworenen Gefühl irgendwelche dämlichen Entscheide zu fällen. Ich befürchte nur, wir werden in der Minderheit sein.

Den Titel habe ich mir übrigens bei Ali Arbia abgeschaut. Das trifft es sehr gut, Danke.

Die SVP…

… ist doch immer wieder unterhaltsam. Nach dem äusserst erfreulichen Abstimmungswochenende habe ich mir mal den Spass gemacht, das SVP Forum etwas zu lesen. Irgendwie leben die Leute in einer ziemlichen Parallelwelt, ich zitiere:

Aber dass gerade alle drei Vorlagen derart bachab gegangen sind: ich habe immer mehr das Gefühl dass irgendwo im Hintergrund Fälschungen laufen! Dieses dumme Gefühl überkommt mich immer öfter.

Also: Wenn die SVP verliert ist irgend etwas ganz falsch gelaufen, die “linken” Medien haben eine Hetze (!) betrieben, das Volk hat zwar recht, aber war zu blöd ja und nein zu interpretieren (Posting marcel). Da sieht man mal wohin die linke Bildungspolitik der 68er uns gebracht hat! Jetzt können wir nicht mal mehr das “Stop Ja” Plakat richtig interpretieren.

Köstlich :-) Ach ja, das Forum selber läuft auf einem Server in Deutschland.

Blochers Grounding

Es gibt Tage, gute Tage und sehr gute Tage. Heute ist ein sehr guter Tag :-) Nach 4 Jahren Bundesrat sind wir Mr. Blocher los! Ich kann es immer noch kaum glauben, habe mich gestern schon gefreut wie ein Kind und heute Morgen bin ich entgegen meinen Gepflogenheiten sogar vor 8 Uhr aufgestanden, um die Bestätigung noch Live miterleben zu können.

Bei der SVP reibt man sich die Augen (ich liebe es Ueli Maurer so zu sehen) und die schöne SVP-Schlagfertigkeit war gestern arg eingerostet. Propagandaminister Mörgeli war relativ sprachlos und Blocher hat es gestern sogar komplett die Sprache verschlagen.

Nun will die SVP also in die Opposition, allerdings nur halbherzig, immerhin sind immer noch zwei SVP Bundesräte im Amt. Politisch wird sich so oder so kaum was ändern, die SVP hat es sowieso nie interessiert, ob sie in der Regierung sind oder nicht. Allerdings scheint sich bei der SVP trotzdem etwas zu tun, mit etwas Glück spaltet sie sich und die vernünftigen SVPler gehen endlich mal ihren eigenen Weg, wäre schon lange mal überfällig…

Die Kommentare sind auch wieder einmal nett. Der Tagi spricht zwar von einer Demütigung von Blocher, schreibt aber ebenfalls, dass das Parlament verzweifelt sein muss. Wieso bitte muss man verzweifelt sein, wenn man Blocher nicht wählt? Meiner Meinung nach war das Parlament verzweifelt, als Blocher damals gewählt worden ist. In der Hoffnung ihn etwas zu “zähmen”, wurde er in die Regierung eingebunden. Das ging tüchtig in die Hosen und jetzt hat man ihn rausgeschmissen, das nenne ich Demokratie. Und nochmals liebe SVP, 30% sind zwar viel, aber das heisst auch, dass 70% anderer Meinung waren.

Die NZZ kritisiert, dass mit der Wahl zwei Mitglieder der SVP im Bundesrat sind, die nicht den Mehrheitskurs der (Zürcher) SVP tragen. Nur hat die SVP sich das mit der Devise “Blocher oder Opposition” selber eingebrockt. Die SP musste in den letzten Jahrzehnten mehrmals einen anderen Bundesrat akzeptieren, da der bürgerlichen Mehrheit der SP-Vorschlag nicht passte. Das ist ein Teil des Spiels, nun hat dies die SVP auch mal erfahren müssen.

Interessant sind auch Kommentare aus Deutschland, die Süddeutsche sieht die Schweiz in Richung Regierung/Opposition gehen, Spiegel schreibt in eine ähnliche Richtung. Schon fast Tragisch ist die Vereinfachung auf ORF. Liebe Journalisten aus dem Ausland: Das schweizer System ist zwar, wie Spiegel feststellte, ein Sonderfall. Aber so einfach wie Ihr euch das vorstellt, ist es noch lange nicht: Nur weil Ueli Maurer & co also ein riesen Theater machen, heisst dies noch lange nicht, dass die Schweiz sich nun grundlegend ändert. Bevor die Zauberformel überhaupt auf dem Stand vor 4 Jahren war, waren weder die CVP noch die SP im Bundesrat, sprich sie waren in der Opposition. Mit der Zeit wurde es dann einfacher, die Parteien im System zu integrieren und man gab ihnen Sitze im Bundesrat. Die Parteien wollten das längerfristig auch (ist schliesslich eine Machtfrage) und hörten also etwas auf zu poltern. Im Tagi ist dies sehr gut beschrieben.

Und nochmals, die SVP hat in den letzten paar Jahren nie was anderes gemacht, sie werden also weiterhin für alles Unterschriften sammeln, alles andere schlecht machen und die Wahrheit für sich beanspruchen. Sprich, sie werden weiterhin eine populistische Partei sein und bleiben. Die Frage ist nur noch, ob sie angedrohte Projekte wie ihre eigene Zeitung umsetzen werden, das Geld dazu hätten sie ja sicher, zumal sich jetzt ein paar 1000 Idioten mehr bei der SVP registrieren lassen.

Mit der Zeitung war die WOZ allerdings schneller, sie hat uns schon letzte Woche ein wunderbares Beispiel gegeben, wie sowas aussehen könnte. Die Reaktionen waren dementsprechend gut, meine Eltern sind auch darauf reingefallen :)

So, wer noch weiter lesen mag findet lustige Interviews auf der WOZ homepage! Meuchelmörder überall!