Tour de Seoul

Nach der LIFT bin von Jeju nach Seoul geflogen, wo ich mich in Fes 1-Zimmer Appartment einquartiert habe. Da sie tagsüber arbeiten musste war es an mir, mich zu beschäftigen. Wie zu erwarten traf ich aber an der LIFT viele Leute und in Korea ist es offenbar üblich, das jeder und jede eine Visitenkarte hat und die inflationär weiter gibt. Sprich innerhalb von kurzer Zeit hatte ich einen Berg von Karten und selber natürlich keine mehr, da ich darauf nicht vorbereitet war. Am Sonntag begann ich also mal einige der Leute zu fragen, ob sie diese Woche noch Zeit für ein Treffen in Seoul hätten, was alle sehr gerne angenommen haben.

Seoul selber ist eine ziemlich spezielle Stadt, vor allem für mich aus der kleinen Schweiz. Die Stadt ist wirklich riesig, vom Flugzeug aus wirkt sie wie eine sehr volle Spielkarte in Sim City 2000! Man sieht nicht enden wollende Quartiere mit unterschiedlichen Häusern, Flüssen, Hügeln und Strassen. Um vom Flughafen am Stadtrand (Gimpo) zu Fes Wohnung zu fahren, war ich 90 Minuten (!!) per Metro unterwegs, und das permanent in der Stadt. Selbstverständlich war dies nur ein Bruchteil des riesigen Metro-Netzes hier. Die folgende Woche verbrachte ich also tagsüber mit Metro fahren, um einige der über 10 Millionen Einwohner zu besuchen, die ich nun kannte.

Im Gegensatz zu Südost Asien ist Seoul viel näher an Europa. Man befindet sich zwar klar in Asien, was man an Dingen wie der oftmals sehr hässlichen Architektur in den Städten, den vielen Leute auf den Strassen, Streetfood, Leuchtreklamen und viel zu viel Verkehr erkennt. Aber zwischendurch findet man wunderschöne Quartiere, die ähnlich einer Altstadt in Europa koreanische Architektur pflegen oder man findet sich plötzlich in einem Quartier voller kreativ kleiner Häuser und Gallerien, das auch irgendwo in einer europäischen Stadt stehen könnte.

Leben bedeutet hier folglich für die meisten Leute auch Hardcore-Kapitalismus. Arbeiten ist hier definitiv Lebensinhalt. 45-60 Stunden pro Woche zu arbeiten ist laut den Leuten, die ich kennen gelernt habe eher die Regel, als die Ausnahme. In einigen Firmen geht man nach wie vor nicht nach Hause, bevor der Chef dies tut. Die Metro schliesst um Mitternacht und Fe meinte mal, wenn dies nicht der Fall wäre, würden sie wohl auch die halbe Nacht durch arbeiten. Gerade viele Junge Leute sind damit nicht mehr wirklich zufrieden. Ich hatte sehr spannende Gespräche mit einigen, von sehr linken Jungs die sich fragen, wohin es nach dem Kapitalismus führen könnte, bis zur Wirtschafts-Studentin, die sich offenbar noch nie gefragt hat, ob Kapitalismus vielleicht für irgendjemand Nachteile haben könnte. Sie beklagte sich aber darüber, das arme Leute eifersüchtig auf die Reichen seien und deren Geld wollten. Ein Problem war aber offensichtlich: Fast alle besser gebildeten Jungen wünschen sich früher oder später einen Job im Aussland, sprich das Land leidet unter Braindrain. Für mich ist das allerdings unter den gegebenen Umständen auch kaum erstaunlich, ein Leben nach der Arbeit gibt es hier für viele nicht.

Ich habe hier also ein spannendes, komplett anderes Asien kennen gelernt, als dies z.b. letztes Jahr in Thailand & Umgebung der Fall war. Für mich war die Woche super spannend, zumal ich auch von Firmen wie Daum (quasi Google von Korea) eingeladen wurde und sie alle hell begeistert waren von meinen Ideen & Projekten (netlabs.org). Daneben habe ich 4 Universitäten besucht (davon gibt es hier unendlich viele) und auch einen Programmierer von netlabs.org getroffen, den ich zwar seit Jahren kenne, aber noch nie gesehen habe. Alles in allem eine sehr lustige Woche, die am Freitag Abend in einem der vielen Quartieren endete, wo sich die StudentInnen in der Nacht rumtreiben und abstürzen. Ah ja Alkohol wird übrigens hier auch massiv konsumiert und das mit der Begründung, dass man sich locker die Kante geben darf, wenn man soviel arbeitet unter der Woche. Der Staat zahlt übrigens auch eine Prämie pro Kind (zuwenig Nachwuchs), allerdings bin ich der Meinung, eine 40-Stunden Woche hätte diesbezüglich deutlich bessere Auswirkungen auf das Sexleben der Koreaner…